Die Seelen der Basteibrücke

Am Wochenende kam bei Mastodon der Wunsch auf, dass es mehr Info zu einzelnen Fotos geben sollte. Wie wurde das Foto gemacht? Was war die Idee? Wie hat die Umsetzung genau funktioniert? Alles spannende Fragen und ich hoffe, ich kann in diesem Beitrag die erste Geschichte zu einem Foto erzählen: Die Seelen der Basteibrücke.

Auf dem FotoCamp HerbstlichT 2022 in der Sächsischen Schweiz habe ich einen Workshop gegeben zum Thema 👉 „Slow Photography“. Und ich hatte mir als Location die Basteibrücke ausgesucht. DIE Location im Elbsandsteingebirge. Fantastilliarden mal fotografiert, unzählige dabei von der gleichen Perspektive aus. Zu allen Jahreszeiten. Ui, genau das richtige für den Workshop, denn hier war nun das Ziel, über das Motiv genauer nachzudenken und es somit besser zu verstehen. Wenn ich mein Motiv besser verstehe, kann ich spannendere Aufnahmen machen. Vielleicht sogar etwas mit mehr emotionaler und inhaltlicher Tiefe.

Natürlich konnte ich meine Workshop Teilnehmer nicht ohne ein Beispiel von mir an dem Tag alleine lassen. Also musste ich mir auch was überlegen. Und ja, natürlich habe ich die Basteibrücke auch schon vorher fotografiert, nicht nur einmal! Also musste ich mir auch etwas einfallen lassen.

Workflow: ein wenig Recherche vorab

Was genau ist die Basteibrücke eigentlich? Was steckt hinter diesem Bauwerk? Wann wurde es gebaut? Von wem? Warum? Was war der Sinn und Zweck damals und heute? So ein Bauwerk wird ja nicht umsonst gebaut. In der Regel hat es irgendeine Aufgabe zu erfüllen. Aber welche? Und hat sich die Aufgabe im Laufe der Jahre verändert? Viele Frage, viele Website und Artikel, viel Antworten, die mich letztendlich zu meiner Idee brachten.

Die Idee

Der Tourismus spielte bei der Brücke schon immer die Hauptrolle. Gerade in den 50er Jahren waren unfassbar viele Menschen auf dieser Brücke. Teilweise bis zu 50.000 pro Tag. Ein absolut irre Anzahl an Menschen. Und heute ist sie noch Publikumsmagnet Nr 1 im Elbsandsteingebirge. Wenn die Brücke reden könnte, würde sie sicherlich viele, viele Geschichten erzählen können, was alles auf ihr passiert ist. Und genau da kam mir die Idee. Es existieren so viele Fotos von der Basteibrücke, auf der keine einziger Mensch zu sehen ist. Viele Fotografen, mich eingeschlossen, gaben sich sehr viel Mühe, die Brücke möglichst menschenleer zu fotografieren. Doch das ist sie ja nicht. Die Brücke ist lebendig. Da ist immer was los. Seit der Erbauung wurde sie stets begangen, besucht, bewundert.

Und als mir das klar wurde, kam die Idee zu diesem Foto von ganz alleine. Ein Strom an Menschen, der über die Brücke geht. Nicht genau zu erkennen, eher wie ein Fluss. Ein Fluss an Seelen der Vergangenheit bis heute. Ein Symbol für all das Leben, was auf der Brücke schon stattfand und noch stattfinden wird.

Die Umsetzung

Nun hatte ich meine Vision vor meinem inneren Auge. Jetzt galt es, diese umzusetzen. Und das ist dann das tolle an den ganzen Überlegungen vorab. Ich wusste ganz genau, was ich wollte, diesen Strom an Menschen. Also brauchte ich nur hoffen, das an dem Tag genügend Menschen zu der Zeit dort waren, damit ich das Foto auch machen konnte. Und ich hatte Glück. Es waren natürlich genügend Menschen vor Ort, die auch alle logischer Weise über die Brücke gehen wollten.

Die Perspektive war mir schon klar, hatte ich schon mal eine ähnliche vor Jahren gewählt. Aber ohne Menschen 😂 Dennoch war das der Blickwinkel, den ich brauchte.

Langzeitbelichtung

Damit die Menschen zu einem Strom verschwimmen, brauchte ich eine Langzeitbelichtung. Das war an dem Tag relativ einfach, da wir einen bedeckten Himmel hatten und die Helligkeit damit auch tagsüber recht gedämpft war. Zu lange durfte die Belichtung aber auch nicht sein, sonst verschwinden die Menschen komplett. Und das sollte ja eben nicht sein. Mein erster Versuch lag bei Blende 11, ISO 100 und 128 Sekunden. Das war definitiv zu lange, da die Menschen sich dann doch schneller bewegten, als ich dachte und somit fast verschwanden 😂

1. Aufnahme bei Blende 11, ISO 100 und 128 Sekunden

Der zweite Versuch hat dann gleich gesessen. Bei Blende 9, ISO 100 und 32 Sekunden waren die Menschen genau richtig verschwommen. Ich hatte wirklich Glück an dem Tag, da diverse Reisebusse eingetroffen waren und die Brücke dementsprechend auch voller Menschen war.

2. und finale Aufnahme bei Blende 9, ISO 100 und 32 Sekunden

Nachbearbeitung

Von vornherein war mir auch klar, das das Foto in schwarz-weiß sein muss. Ich wollte das Foto wirklich ganz auf die Aussage fokussieren. Daher sollte auch nichts im Foto ablenken. Somit war schwarz-weiß Pflicht. Da ich digital fotografiert habe und natürlich in RAW, musste ich also das Foto in der Nachbearbeitung in schwarz-weiß umwandeln. Dabei habe ich lediglich die Kontraste angepasst, sonst nix. Durch einen engeren Ausschnitt habe ich die Aufmerksamkeit nochmals auf die Menschen in der Mitte verstärkt. Die Vignettierung hat dann das ganze noch abgerundet. Mehr habe ich aber in der Nachbearbeitung nicht gemacht.

Das fertige Foto – Die Seelen der Basteibrücke

Tada – nach viel Gerede endlich das Foto 😁 Mir hat es ungemein geholfen, sich vorher so viele Gedanken zu machen. Es war dann vor Ort „nur noch“ ein Abarbeiten einer Aufgabenliste. Ich musste überhaupt nicht lange überlegen, habe insgesamt nur zwei (!) Aufnahmen gebraucht und war in recht kurzer Zeit fertig. Natürlich läuft das nicht immer so, aber es gibt einige Foto bei mir, die ich so geplant habe. Einige wiederum entstehen spontan. Aber da ist es dann oft so, dass ich das Motiv sehe und gleich auch weiß, wie es hinterher auszusehen hat. Der wichtigste Punkt bei all dem ist, dass ich, bevor ich auf den Auslöser drücke, über das Motiv und das fertige Foto nachdenke. Es gibt auch genügend Situationen, in denen ich kein Foto mache, weil ich vor Ort entscheide, das das Motiv nicht ausreicht. Zumindest in dem Moment für mich. Und dann verzichte ich lieber auf das Auslösten, sonst habe ich im Nachgang ja eh nur Datenmüll auf der Festplatte rumliegen.

Nicht auszulösen ist reine Übungssache und macht das Fotografenleben leichter!

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